Erscheinungsjahr: 2020        WER 6433 2   

Clara Iannotta

Die Berliner Komponistin Clara Iannotta konzentriert sich auf ihrer Porträt-CD earthing auf die Gattung Streichquartett. Ihre kompositorischen Ideen schöpft sie dabei vor allem aus der Vorstellung eines Unterwasserkosmos und den Tierchen, die in tiefster Tiefe ihre Lichtorgane spielen lassen. So entsteht eine Musik, die unter dem Druck wie von Wassermassen zu stehen scheint und doch in einer Welt gedehnter Zeit stattfindet. Am Anfang ihrer Reise in unbekannte Tiefen arbeitet Iannotta meist mit minimalistischen, zerbrechlichen Klängen: „Sie schärfen das Gehör, so wie sich die Augen erst langsam an die Dunkelheit gewöhnen müssen.“ Beizeiten kann sich ihre Musik allerdings auch auftürmen zu gewaltigen, komplexen Gebilden.

Weitere Inspiration für ihre Quartette fand Iannotta u.a. bei der irischen Lyrikerin Dorothy Molloy, dem US-amerikanischen Schriftsteller David Foster Wallace oder in J.S. Bachs Partita Nr. 1 h-Moll. Aber auch Phänomene aus der Tierwelt standen Pate für kompositorische Konzepte, wie Iannotta mit Blick auf ihr Stück Earthing – dead wasps (obituary) gegenüber der Bookletautorin Theresa Beyer erläutert: „Die Spinne lässt ihren Panzer als leere Hülle zurück, wenn sie im Wachstum ist. Und plötzlich liegen dort zwei Körper – ein leerer und ein gefüllter – und damit zwei verschiedene Zeitlichkeiten. Man könnte sagen, ich habe ein Streichquartett komponiert, das sich während seines Erklingens mehrfach häutet.“

Klang und Geräusch sind bei Clara Iannotta gleichberechtigt. Die Saiten der Streichinstrumente lässt sie zum Teil mit Büroklammern präparieren oder drastisch nach unten stimmen. Es lassen sich subtile elektronische Elemente finden, ebenso wie Tischglocken, Vogelpfeifen und Styroporblöcke. In den sieben Jahren, in denen die vier Streichquartette entstanden sind, wendet sich Iannotta mehr und mehr der Geräuschhaftigkeit zu, ein Prozess des Erdens, des earthings, bis an die Substanz der Klänge.

Die geschichtsträchtige Gattung Streichquartett fasst Iannotta hierbei als eine sehr emotionale auf: Die Intimität, die zwischen den Musiker*innen herrschen muss, die künstlerische Empathie, das intensive Zu- und Hinhören sind grundlegend für das Entstehen ihrer Musik. Dieser Aufgabe widmet sich das JACK Quartet, das alle vier Werke der CD eingespielt hat, gleichsam als kongenialer Partner.

 

Geboren 1983 in Rom. Clara Iannotta ist eine italienische Komponistin und Kuratorin, die in Berlin lebt.Ihre Musik wird von renommierten Ensembles, Solist:innen und Orchestern in Auftrag gegeben und aufgeführt, darunter Pierre-Laurent Aimard, Arditti Quartet, Quatuor Diotima, Ensemble Intercontemporain, JACK Quartet, Klangforum Wien, NIKEL und zahlreiche internationale Orchester. Iannotta war 2013 Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, 2018-19 Stipendiatin der Villa Médicis (Académie de France à Rome) und erhielt mehrere Preise, darunter den Ernst von Siemens Komponistenförderpreis 2018, den Hindemith-Preis 2018, Una Vita nella Musica Giovani 2019, den Premio Abbiati 2021. Ihre drei Porträtalben „A Failed Entertainment“ (Edition RZ), „Earthing“ (WERGO) und „Moult“ (Kairos) wurden alle mit einem Platz auf der Bestenliste der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Sie ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.

Iannotta ist Professorin für Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst (mdw) in Wien und war von 2014 bis 2024 Künstlerische Leiterin der Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik. Derzeit ist sie Mitglied des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung und ab 2025 Künstlerische Leiterin der Musikprogramme des Festival d’Automne à Paris sein. http://claraiannotta.com/

 

CD: Earthing

1 dead wasps in the jam-jar (iii) (2017/rev. 2018)
für präpariertes Streichquartett und Sinuswellen
JACK quartet: Christopher Otto, Violine • Austin Wulliman, Violine • John Pickford Richards, Viola • Jay Campbell, Violoncello

2 You crawl over seas of granite (2019/20)
für verstärktes Streichquartett in veränderter Stimmung
JACK quartet: Christopher Otto, Violine • Austin Wulliman, Violine • John Pickford Richards, Viola • Jay Campbell, Violoncello


 

3 A Failed Entertainment (2013)
für Streichquartett
JACK quartet: Christopher Otto, Violine • Austin Wulliman, Violine • John Pickford Richards, Viola • Jay Campbell, Violoncello

4 Earthing – dead wasps (obituary) (2019)
für präpariertes Streichquartett, Transducer und Elektronik
JACK quartet: Christopher Otto, Violine • Austin Wulliman, Violine • John Pickford Richards, Viola • Jay Campbell, Violoncello

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