Erscheinungsjahr: 2020      WER 6431 2   

Naomi Pinnock

Lines and Spaces

Mit stark reduziertem Klangmaterial erschafft die britische Komponistin Naomi Pinnock auf dieser Porträt-CD zart-zerbrechliche, fein ausdifferenzierte Klangformationen. Der Versuch der Transformation von Unvollkommenheit in Klang ist dabei ein zentrales Schaffensmoment Pinnocks. Dirk Wieschollek erläutert dazu im Booklettext: „Die Konzentration und Verdichtung der musikalischen Gestik auf wesentliche, stets von der Möglichkeit des Nicht-Klingens umgebene Ausdrucksmomente findet sich dabei nicht selten in ein melancholisches Extrem getrieben.“ So ergibt sich im String Quartet no. 2 durch Repetitionsvarianten eines absteigenden Akkordwechsels zunächst eine expressive schwerfällige Klangbewegung. Im zweiten Satz geht diese über in resignativ melancholische Klangschleifen, die in einem fast tonlosen Zupfen am Steg enden.

Inspiration für ihre Werke bezieht Naomi Pinnock oftmals aus wesensverwandten Formzusammenhängen der Literatur und Malerei. So wurde das dem Porträt den Titel gebende Klaviersolo Lines and Spaces angeregt durch die feinen Farb- und Linien-Nuancen von Agnes Martins minimalistischen Bild-Quadraten. Durch die Reduzierung auf horizontal gedachte, oft singuläre Linien und die vertikalen, akkordisch konzipierten Zwischenräume entstehen in der Komposition vielfältige Differenzierungen und Zusammenhänge.

In Music for Europe setzt sich Naomi Pinnock – allerdings nicht politisch motiviert – mit dem EU-Ausstieg von Großbritannien auseinander: „Ich hatte bereits mit den Skizzen zu der Komposition begonnen, als die Entscheidung des Vereinigten Königreichs fiel, die EU zu verlassen. Das Ergebnis des Referendums schockierte mich zutiefst. […] Auch wenn ich der Meinung bin, man sollte sich beim Komponieren allein auf die Kunst konzentrieren und nicht sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt drängen – die Zerbrechlichkeit, die die Musik ausstrahlt, ist alles andere als aufgesetzt. Sie hat sich ihren Weg in das Stück ganz von selbst gebahnt.“

Naomi Pinnock wurde 1979 in West Yorkshire, Großbritannien geboren. Ihre Musik wurde international aufgeführt u.a. von BBC Scottish Symphony Orchestra, WDR Sinfonieorchester, Orchestre Philharmonique Luxembourg, Quatuor Bozzini, Ensemble Adapter, London Sinfonietta, EXAUDI Vokalensemble, Arditti Quartet, Neue Vocalsolisten Stuttgart und Schola Heidelberg. 

Aufführungen u.a. im Rahmen von Huddersfield Contemporary Music Festival, Warschauer Herbst, ECLAT Festival Stuttgart, Wittener Tage für Neue Kammermusik, Tectonics Festival Glasgow, Klangspuren Schwaz, ACHT BRÜCKEN, Rainy Days Festival Luxembourg und Ultraschall Berlin.

Sie studierte in London bei Harrison Birtwistle und Brian Elias, sowie in Karlsruhe bei Wolfgang Rihm.

2022 erhielt sie den renommierten Kompositionsförderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung. 2020 gewann sie den Royal Philharmonic Society Award für Chamber-Scale Composition für I am, I am. Weitere Auszeichnung u.a. 2017 das Berliner Arbeitsstipendium für Neue Musik und Klangkunst, 2015/6 das Cité des arts Paris Kompositionsstipendium, 2013 den Günther-Bialas Kompositionspreis und 2010 den Berlin-Rheinsberger Kompositionspreis. 2020 wurde ihre Porträt-CD – Lines and Spaces – auf WERGO/Deutsche Musikrat veröffentlicht. Seit 2021 arbeitet und wohnt sie in Biel/Bienne.

naomipinnock.co.uk

 

CD

String Quartet no. 2 (2011–12)                                               
für Streichquartett
1 I retrace your steps
2 II

Quatuor Bozzini:  Clemens Merkel, Violine · Alissa Cheung, Violine ·  Stéphanie Bozzini, Viola · Isabelle Bozzini, Violoncello

Words (2010–11)
für Bariton und Ensemble
3 I why… (a night song)
4 II solve a night
5 III again nothing why (on forgetting)

Omar Ebrahim, Bariton
London Sinfonietta: Mark van de Weil, (Bass-) Klarinette · Andrew Webster, (Bass-) Klarinette · Thomas Gould, Violine · Hilaryjane Parker, Violine · Eniko Magyar, Viola ·  Lionel Handy, Violoncello · Markus van Horn, Kontrabass · Helen Tunstall, Harfe · David Hockings, Schlagwerk · Chris Bradley, Cimbalom · Ian Watson, Akkordeon
Leitung: Beat Furrer

Lines and Spaces (2015)
für Klavier
6 Space I
7 Line I
8 Space II On a Clear Day
9 Line II
10 Space III Song
11 Line III

Richard Uttley, Klavier


Music for Europe (2016)
für Flöte, Klarinette, Schlagwerk, Klavier und Harfe                  
12 I transparent lament
13 II porous with loss (i)
14 III
15 IV porous with loss (ii)
16 V rising, rising

Ensemble Adapter: Kristjana Helgadóttir, Flöte · Ingólfur Vilhjálmsson, Klarinette · Matthias Engler, Schlagwerk · Antonis Anissegos, Klavier · Gunnhildur Einarsdóttir, Harfe

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