Ricardo Eizirik

Erstmalig als reine Online-Veröffentlichung + Booklet.

Sie möchten das Booklet in Printform beziehen?
Bitte schreiben Sie an: edition@musikrat.de

Hochkultur trifft auf Trash, Mensch auf Maschine, Ungeschliffenes auf Präzision – Ricardo Eiziriks Musik eröffnet faszinierende Spannungsfelder. Das Visuelle spielt hierbei eine ebenso große Rolle wie das Klanggeschehen. Lichtkompositionen oder die Bewegungen der Musiker:innen sind fein auf die klanglichen Ereignisse abgestimmt.

Widersprüche finden sich auch in Eiziriks eigener Identität: Mit populärer Musik sozialisiert, lernt er in Brasilien die europäische Hochkultur nur aus Außensicht kennen, später im Studium an europäischen Musikhochschulen auch von innen. Eizirik erlebt dies als kulturellen „Clash“ und verarbeitet die Erfahrungen auch künstlerisch.
In der Reihe „junkyard pieces“ stellt das Ensemble Recherche hochkultiviertem Instrumentalklang akustische Abfallprodukte gegenüber. „Mich interessiert die Reibung zwischen trivialen Alltagsgeräuschen und ihrer künstlichen Repräsentation in einer Konzertsituation“, erläutert Eizirik im Gespräch mit Bookletautorin Leonie Reineke. So kommen Alltagsmaterialien wie Rohre, Trichter, Plastikschläuche oder Blechdosen zum Einsatz, deren industrieller Charme nicht nur akustisch, sondern auch optisch mit den wertvollen Musikinstrumenten kontrastiert.

Ein weiterer kompositorischer Schwerpunkt Eiziriks ist das Verhältnis von Mensch und Maschine. So hinterfragt Eizirik in „obsessive compulsive music“, eingespielt vom Trio Catch, maschinenhafte Routinen und den Leistungsdruck musikalischer Praxis. Im Vokalwerk „in steps“ wiederum, interpretiert von den Neuen Vocalsolisten, verflüchtigt sich durch elektronische Zuspielung und Bearbeitung die Menschlichkeit der Stimmen und erinnert an Synthesizer-Klänge.

Alle Aufnahmen sind in Koproduktion mit dem Deutschlandfunk entstanden.

Ricardo Eizirik (geb. 1985, Ribeirão Preto) ist ein:e Komponist:in aus Brasilien mit einem breiten künstlerischen Schaffensfeld: Dieses umfasst instrumentale und elektronische Komposition, Installation, Performance, DJing und Kuratieren, verbunden mit Themen wie Körperwahrnehmung, Kolonialgeschichte und Technisierung der Gesellschaft. Eiziriks ästhetische Sprache ist geprägt vom Spannungsverhältnis zwischen Kontrolle und Exzess, Struktur und Zusammenbruch. Dabei greift er häufig auf Archivmaterial, Alltagsgesten, gefundene Objekte und Nebenprodukte des Alltags (z. B. Müll, Lärm etc.) zurück, um vielschichtige, hybride Formen zu entwickeln, welche die Grenzen zwischen Musik, bildender Kunst und performativen Aktionen verwischen.

Zunächst studierte Eizirik Komposition bei Antonio C. B. Cunha in Brasilien und später bei Isabel Mundry in der Schweiz. Parallel zum Musikstudium schloss er seinen Master in Transdisciplinary Arts an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ab.

Außerhalb der Welt der Konzerte und der Kunst tritt Eizirik auch unter dem Pseudonym „auto_timer“ auf – eine DJ- und Producer-Identität, die in der experimentellen elektronischen Bassmusik Lateinamerikas verwurzelt ist, mit Fokus auf zeitgenössischen Sounds aus Brasilien. Bekannt für energiegeladene, genreübergreifende Sets, kombiniert „auto_timer“ dekonstruierte Elemente von Baile Funk, Mandelão, Bruxaria und Broken Percussion mit experimentellen Ansätzen zu Rhythmus und Textur. Eizirik ist darüber hinaus Mitbegründer:in von CHOKA (Berliner Kollektiv und Plattform), welche sich der lateinamerikanischen Underground-Clubmusik widmet, sowie Mitkurator:in von SuenaLATAM, einem Festival, das die Sounds und die Diaspora Lateinamerikas feiert. Dieses club-nahe Schaffensfeld erweitert Eiziriks breit gefächerten künstlerischen Ansatz und ermöglicht, Themen wie akustischer Widerstand, diasporische Identität und kollektive Erfahrung über basslastige, tanzbare Formate zu erkunden.

Ob im Konzertsaal, in der Galerie oder im Club – Eiziriks Arbeit wird getragen von einer tiefen Hingabe für Experiment, kritische Reflexion und radikales Zuhören. Durch das Navigieren in verschiedenen kulturellen und ästhetischen Kontexten versucht Eizirik, bestehende Hierarchien von Klang und Wahrnehmung in Frage zu stellen.

https://www.ricardoeizirik.com/

 


Videos

junkyard piece I

für Ensemble und gefundene Objekte

Ensemble Recherche: Lisa Meignin, Flöte · Eduardo Olloqui, Oboe · Shizuyo Oka, Klarinette · Melise Mellinger, Violine · Sofia von Atzingen, Bratsche · Åsa Åkerberg, Violoncello · Klaus Steffes-Holländer, Klavier · Christian Dierstein, Perkussion

 

junkyard piece III

für Ensemble und gefundene Objekte

Ensemble Recherche: Lisa Meignin, Flöte · Eduardo Olloqui, Oboe  · Shizuyo Oka, Klarinette · Melise Mellinger, Violine · Sofia von Atzingen, Bratsche · Åsa Åkerberg, Violoncello · Klaus Steffes-Holländer, Klavier · Christian Dierstein, Perkussion

Exercise in metal n. 1

für vier Performer:innen und Piezo-Sequenzer

Ensemble Recherche:
Eduardo Olloqui, Shizuyo Oka, Åsa Åkerberg, Christian Dierstein, Performer:innen

 

in steps I & III

für fünf verstärkte Stimmen und Performer:in

Neue Vocalsolisten: Johanna Vargas, Sopran · Susanne Leitz-Lorey, Sopran · Truike van der Poel, Mezzosopran · Martin Nagy, Tenor · Andreas Fischer, Bass · Guillermo Anzorena, Performer

obsessive compulsive music

für Klarinette, Violoncello und expandiertes Klavier

Trio Catch: Martin Adámek, Klarinette · Eva Boesch, Violoncello · Sun-Young Nam, Klavier

Gefördert von: