Extremer Ausdruck und zerbrechliche Schönheit treffen in der Musik von Jonah Haven aufeinander. Der Komponist begreift sein Schaffen als Auseinandersetzung mit seinem eigenen Leben und existenziell menschlichen Erfahrungen wie Verzweiflung, Verlust und Isolation.
Angetrieben von der steten Suche nach Neuem schöpft Haven aus einer breiten Klangpalette. In den zumeist klein besetzten Werken des Porträts finden sich etwa mikrotonale Verschiebungen im Akkordeon-Duett „i burn a million years“. An anderer Stelle scheinen Reste tonaler, traditioneller Musik unter verzerrten und perforierten Klängen durch, die wesentlich von Multiphonics erzeugt werden, wie in „slip letting by hand“, einem Duo für Violine und Violoncello.
Viele der Stücke bringen die Musiker*innen hörbar an ihre körperlichen Grenzen wie etwa in „aren’t wet“ für präpariertes Fagott und Violine mit präpariertem Bogen, in der sich die beiden unähnlichen Instrumente durch die Präparationen und Verstärkung einander klanglich annähern. In dem titelgebenden großen Ensemblestück „gasser“ entsteht durch hohe Lagen und das Fehlen von Atempausen ein kaum vermeidbares „Schnaufen“ beim Lufteinsaugen. Bookletautor Gordon Kampe resümiert: „Auch in ‚gasser‘ kippt, das verbindet fast alle Stücke miteinander, die vermeintlich strenge Schönheit durch verschiedenste klangliche Verschmutzungen in eine – weil nicht perfekte – menschliche.“
Jonah Nuoja Luo Haven (*1995 in Ohio, USA), Preisträger des Bernd-Alois-Zimmermann-Kompositionspreises 2018 der Stadt Köln, ist Komponist, Improvisator und Pianist. Maßgeblich beeinflusst von den Autor*innen der Autotheory versteht er sein Komponieren als ein Mittel, Zeugnis über sein eigenes Leben abzulegen – ein Ausdruck des Alterns. Er studierte Komposition am Oberlin Conservatory bei Josh Levine und Aaron Helgeson, an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln bei Brigitta Muntendorf und promoviert zurzeit an der Harvard University bei Chaya Czernowin.
1 aren't wet (2019) 9:58
für präpariertes Fagott und Violine mit präpariertem Bogen
Wolftone: William Overcash, Violine · Ben Roidl-Ward, Fagott
2 gasser (2020) 9:54
für acht Musiker*innen
Ensemble Proton Bern: Bettina Berger, Bassflöte/Piccolo · Martin Bliggenstorfer, Lupophon/Oboe · Richard Haynes, Kontrabassklarinette/Klarinette in Es · Elise Jacoberger, Kontraforte · Vera Schnider, Harfe · Coco Schwarz, Klavier · Maximilian Haft, Violine · Jan-Filip Ťupa, Violoncello
Leitung: Gregor Mayrhofer
3 another ditch (2018) 7:59
für Altflöte, Schlagzeug und Bratsche
Ensemble Recherche: Jaume Darbra Fa, Altflöte · Christian Dierstein, Schlagzeug · Geneviève Strosser, Bratsche
4 starnge nest (2020) 15:00
für Bassklarinette, Klavier und Violoncello
Trio Catch: Martin Adámek, Bassklarinette · Eva Boesch, Violoncello · Sun-Young Nam, Klavier
5 slip letting by hand (2018) 10:41
für präparierte Violine und (nicht präpariertes) Violoncello
Ensemble Recherche: Melise Mellinger, Violine · Åsa Åkerberg, Violoncello
6 i burn a million years (2019) 7:33
für mikrotonales Akkordeon-Duett
Duo XAMP: Fanny Vicens, Jean-Etienne Sotty, Akkordeons